Als der aus Springfield/Illinois stammende Joseph G. McCoy von den riesigen Rinderherden in Texas erfuhr, kam ihm die Idee, hierfür im Norden einen Absatzmarkt zu finden. Diese Information hatte er von seinem Freund V. W. Sugg, der 1866 eine Herde von Texas nach Baxter Springs getrieben hatte und dabei die üblichen Verluste an Rindern verbuchen musste, da diese durch Krankheiten wie Spanisches Fieber oder Texas Fieber eingegangen waren. McCoy dachte an einen zentralen Ort in Kansas, wo Verkäufer aus dem Süden und Käufer aus dem Norden Rindergeschäfte abschließen sollten, und von wo aus das Vieh direkt mittels Eisenbahn an die Bestimmungsorte in den Osten verfrachtet werden sollte. Nach dem er bei der Stadt Junction City auf Ablehnung stieß, viel seine Wahl auf Abilene. Abilene war umgeben von saftigem Weideland und zahlreichen Wasserstellen. Außerdem war die Umgebung kaum besiedelt.


Da der Gründer von Abilene Charles Thompson ebenfalls die Idee eines Verladebahnhofes hatte, war für McCoy nun Eile geboten. Er verhandelte mit mehrere Eisenbahngesellschaften und schloss zunächst einen Vertrag mit der Kansas Pacific Railroad ab, nachdem er bereits östlich von Abilene Weideland gekauft hatte. Jetzt hatte McCoy die nötigen finanziellen Mittel, um in Abilene einen Bahnhof, ein Geschäftshaus, ein Hotel und eine Bank zu bauen. Die Kansas Pacific Railroad brach nach einiger Zeit jedoch den Vertrag, was McCoy vorübergehend bankrott machte. Schließlich ging er zur Hannibal- und St.-Joseph-Railroad, mit der er dann erneut einen Vertrag über Verlademöglichkeiten abschloss. Am 1. Juli 1867 konnte er so sein Werk vollenden.


Jetzt mussten die Rinderherden aber erst von Texas nach Abilene getrieben werden. Die Route, die später am meisten benutzt wurde, war der sogenannte Chrisholm Trail. Dieser Weg wurde von einem Tauschhändler namens Jesse Chrisholm entdeckt und war wegen seiner zahlreichen Wasserlöchern der geeignetste. McCoy erfuhr von einem gewissen John Jacob Myers davon. Dieser versprach ihm, die Herdenführer aus Texas auf diesen Weg hinzuweisen, was aber in diesem Jahr schon zu spät war. So wurden im ersten Jahr relativ wenige Herden über diese Route getrieben. Am 5. September 1867 verließ der erste Zug mit Longhorn-Rindern die Stadt. Anfangs wurden erst 36000 Rinder verladen, aber 1870 waren es schon knapp 300000. So wurde aus dem einst verschlafendem Städtchen, das zu Beginn nur aus zwölf Hütten bestand, eine blühende Handelsstadt, in der sich aber auch mit der Zeit allerlei Gesindel eingefunden hatte. Schon im Frühling 1868 trafen die ersten zwielichtigen Gestalten in Abilene ein: Cowboys, die ihr gerade verdientes Geld mit vollen Händen ausgaben, Spieler, Bordellinhaber, Diebe und natürlich auch Revolverhelden. So gab es kaum einen Tag ohne Schießerei. Zunächst begnügten sich die Stadtväter jedoch nur mit Verordnungen, um die Stadt nach außen als zivilisiert darzustellen. So wurden Saloons lizenziert, Bordelle beaufsichtigt und kleinere Straftaten ignoriert. Die Verordnung, keine Waffen zu tragen, wurde natürlich auch nicht beachtet. Es fehlten eben doch Polizeikräfte.


Als in Abilene ein massives Gefängnis aus Stein gebaut werden sollte, rissen die freiheitsliebenden Cowboy mit ihren Lassos das Gebäude noch vor dessen Fertigstellung wieder ein. Erst unter Bewachung wurde es schließlich wieder aufgebaut und vollendet. Der erste Gefangene war ein schwarzer Koch, der zu einer Cowboymannschaft gehörte. Dieser wurde jedoch noch am gleichen Abend von seinen Kumpanen befreit. Jetzt kamen die Stadtväter doch zum Schluss, einen Marshal zu engagieren. Der erste Marshal war Thomas J. "Bear River" Smith, dem es gelang, mit Hilfe seiner Fäuste das Waffengesetz durchzusetzen. Ca. ein halbes Jahr später - nachdem Smith von einem Farmer ermordet wurde - übernahm der Revolvermann James Butler (Wild Bill) Hickok das Amt.


Im Gegensatz zu seinem Vorgänger, war Hickok bereit, sofort zu schießen und zu töten. Außerdem war er die meiste Zeit im Saloon  beim Kartenspiel anzutreffen. Als Hickok am 9. Oktober 1871 den Inhaber des Bulls Head Saloons Phil Coe tötete und die ansässige Zeitung von einer gerechten Strafe sprach, war die Empörung der Cowboys und Herdenführer sehr groß. Einflussreiche Rinderkönige entschlossen sich, ihre Rinderherden nicht mehr in Abilene verladen zu lassen. Geschäftsgespräche wurden spontan abgebrochen und die Cowboys verließen die Stadt ohne weiter Geld auszugeben. So verlor die erste Rinderstadt des Wilden Westens an Bedeutung. Zwischen den Jahren 1867 und 1872 wurden insgesamt fast drei Millionen Rinder nach Abilene getrieben. Aber nun verlor Joseph McCoy sein Verladegeschäft und seine ganzen Häuser, die er errichten ließ. Er ging nach Kansas City und starb dort im Jahre 1915.


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